Die Natur als begehbarer Kunstraum – Der Weg facettenreich
Die Metapher "Weg" beschäftigt mich, seit ich weitwandere. Begonnen hat die Auseinandersetzung mit dem Weg auf einer Pilgerwanderung nach Mariazell, hervorgerufen durch den Satz: „Der Weg ist eine menschliche Grundsituation - eines der ältesten Ursymbole“. Den Schöpfer dieses Satzes konnte ich nirgendwo ausfindig machen und ich bitte sie oder ihn hiermit um Erlaubnis, diesen Satz verwenden zu dürfen. Er ist für mich zum Leitsatz geworden. Danke!
Die Kogel
Wordbedeutung nach Wikipedia. Das Wort Kogel, ‚Bergkuppe' oder ‚Berg mit rundlichem Gipfel', in den Namen oft auch synkopiert-verschliffen Kogl, oder als Kögel.
Eisenkogl, Königskogl, Stoakogl, Plankogl und weitere Kogl; gemeint sind pyramidenförmige Erhebungen im Almenland in der Steiermark. Eine, für diese Gegend typisch landschaftliche Besonderheit, die Geheimnisvolles in ihrem Inneren vermuten lässt.
Solche Gedanken erfassen mich immer wieder, wenn ich aufmerksam die Landschaft betrachtend, auf meinen Solowanderungen durch heimatliche Gefilde unterwegs bin. Das Alleinwandern als Form des kreativen Unterwegsseins, um es später beim Schreiben zum Ausdruck zu bringen. Es wäre vermessen, mich mit dem großen Peter Rosegger zu vergleichen und wage es nur in dem nicht unwesentlichen Detail, dass auch er von der Landschaft seiner Heimat künstlerisch beeinflusst wurde.
Der Weg als Inspiration
„Schon ist mein Blick am Hügel, dem besonnten, dem Wege, den ich kaum begann, voran. So faßt uns das, was wir nicht fassen konnten, voller Erscheinung, aus der Ferne an – und wandelt uns, auch wenn wirs nicht erreichen, in jenes, das wir, kaum es ahnend, sind; ein Zeichen weht, erwidernd unserem Zeichen… wir aber spüren nur den Gegenwind".
Der Blick ist am Hügel und dem Wege, den ich kaum begann, voran. So beschreibt es Rilke der Große in diesem Gedicht "Spaziergang", das durchaus zu einer längeren Meditation einladen darf.
Immer wieder ist es der Weg der Künstlerinnen und Künstler zu allen Zeiten zu großartigen Werken inspirierte. Als Metapher oder indem sie sich immer wieder physisch dem Weg auslieferten.
Sich ausliefern
Dieser Gedanke "sich ausliefern", bringt mich zum nächsten: Ist der Weg seit vielen Jahren Symbol für meinen Lebensweg, muss ich beschämt eingestehen, dass ich ihm seiner eigentlichen Bestimmung gemäß, zu wenig Anerkennung gezollt habe.
Auf meinen vielen einsamen Streifzügen durch die Wälder meiner Heimat, entdecke ich immer wieder verwachsene, zum Teil vergessene Pfade, die vor meiner Zeit wichtige Verbindungen zwischen den bäuerlichen Höfen und Dörfer waren. Pfade, wo junge Männer zu ihrer Angebeteten gingen, um durch das Fensterchen zu ihr in die Kammer zu steigen, worin oft neun Monate später ein Menschlein das Licht der Welt erblickte. Wege, auf denen Lasten auf menschlichen Rücken oder mit Ochsenkarren transportiert wurden. Oder jener alte Bahnweg in den Fischbacher Alpen, wo vor Zeiten auf Schienen Rundholz zum Schanzsattel transportiert wurde.
Aus dem Mittelalter kennen wir den Ausdruck Wegelagerer, die den Weg als Einkunftsquelle missbrauchten und rechtschaffene Leute überfielen, um sich deren Hab und Gut anzueignen. Unser Erdball wird von Millionen von Wegen überzogen, ähnlich den Äderchen und Blutbahnen in unserem Körper. Dazu gehören auch die Wasserwege von Flüssen und Bächen.
Der Weg als das Verbindende. Der Weg, auf dem Menschen zu Menschen kommen.
Sich auf den Weg machen
Es gibt Tage, wo ich die Enge meiner vier Wände nicht mehr aushalten kann. Wo ich weg muss und mich auf den Weg mache. Mit leichtem Gepäck aufbreche, um einen meiner altbekannten Wege zu gehen. Es ist als träfe ich mich mit einer alten weisen Freundin, der ich allein wandernd, meine Gedanken darbringe und meine Sorgen erzähle. Irgendwann, wenn das Schweigen in meinen Gedanken eingekehrt ist, umhüllt sie mich - die Wegin - mit einem wohltuenden unsichtbaren Schleier und ich werde eins mit ihr. Meine Schritte bekommen einen anderen Rhythmus, der Atem passt sich dem Gehen an und die Aufmerksamkeit dreht sich. Plötzlich erkenne ich, was sich mir präsentiert: In jedem Stein, in jedem Baum, Grashalm, Blume und den Tierchen, die da kreuchen und fleuchen:
„Gott schläft im Stein, atmet in der Pflanze, träumt im Tier und erwacht im Menschen.“
(angeblich ein indianisches Sprichtwort)
Der Weg als religiöses Symbol
Vor allem in der Bibel hat der „Weg“ eine Schlüsselbedeutung und kommt sowohl im ersten wie auch im zweiten Testament unzählige Male vor: „Befiel dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen (Psalm 37/5) „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;“ (Joh.14/6)
Der Weg ist das Ziel (Konfuzius). Alle Wege führen nach Rom. Der Weg liegt nicht im Himmel, der Weg liegt im Herzen (Buddha). Neue Wege entstehen, indem wir sie gehen (Nietzsche). Und wenn wir keinen Weg finden, so bauen wir einen Weg (Hannibal).
In den meisten Märchen, Sagen und Mythen finden wir den Weg als wichtiges Element wieder. Wie schon eingangs erwähnt ist der Weg eines der ältesten Ursymbole der Menschheit. Als sich der erste Mensch aufrichtete, ging er. Als er ging, nahm die Entwicklung des Menschen ihren Lauf.
Vielleicht sollten die Menschen wieder mehr zum Gehen zurückkehren, damit die rasende Entwicklung etwas eingebremst wird. Es würde der Erde guttun.
Der Weg zum Glück
Glück hat die Natur des Interseins. Interbeing nannte es Thich Nhath Hanh, der leider 2022 verstorbene große Vietnamese und spirituelle Lehrer.
„Wenn man sich das Glück nur in einer ganz bestimmten Form vorstellen kann, verhindern wir die vielen Gelegenheiten, die uns unmittelbar umgeben, flüstert mir die Wegin zu“.
Ich erkenne! Man kann, wenn man bereit ist, überall Glücksmomente erfahren. Somit braucht man nicht einer bestimmten Vorstellung von Glück, die meist von einer auf Profit orientierten Industrie gesteuert wird, nachzujagen.
Auf den unzähligen Wegen, auf denen ich schon gegangen bin, habe ich solche Momente des totalen Glücklichseins erfahren dürfen.
Zum Abschluss hat Thich Nhat Hanh das Wort
Möge ich doch imstande sein, die Samen der Freude und des Glücks in mir zu sehen und zu berühren. Möge ich lernen, die Ursachen von Wut, Gier und Unwissenheit in mir, zu identifizieren und zu erkennen. Möge ich wissen, wie ich den Samen der Freude und des Glücks täglich in mir nähren kann. Möge ich imstande sein, frisch, gefestigt und frei zu leben. Möge ich frei von Anhaftung und Ablehnung doch nicht gleichgültig sein.
Über die Autorin
Ingeborg Berta Hofbauer ist eine begeisterte Reisende und Entdeckerin von neuen Orten und ihren Menschen. Deren Geschichten dahinter faszinieren sie und inspirieren sie zu ihren Büchern und Blogs. Sie reist vorwiegend mit ihrem Camper und der Bahn und verzichtet weitgehend auf Flugreisen.
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